Thomas Mann folgte seiner Familie - nach dem halbherzigen Schulabschluss - in die Stadt nach, die ihn fast ebenso prägen sollte wie Lübeck: München, das er in Erzählungen wie Gladius Dei aufs Korn nehmen sollte und zu dessen Beschreibung er mit dem augenzwinkernd-ironische Satz anhob: "München leuchtete". Nach einer kurzen Episode als Angestellter einer Feuerversicherungsanstalt pflegte Thomas Mann ein Bohemienleben; er hörte an der Technischen Universität einige Vorlesungen und begann Beiträge für die Zeitschrift Das zwanzigste Jahrhundert zu schreiben. Mit seinem Bruder Heinrich, der bereits erste schriftstellerische Erfolge vorweisen konnte und an dem sich der jüngere orientierte, reiste Thomas Mann im Jahr 1896 für anderthalb Jahre nach Italien (Palestrina und Rom), wo er einige Novellen schrieb und im Oktober 1897 mit seinem Romanwerk Buddenbrooks begann. Als Redakteur des Satireblatts Simplicissimus bewegte er sich in Literatenkreisen und weckte durch seine in Literaturzeitschriften erscheinenden Erzählungen das Interesse des Verlegers Samuel Fischer, dem es gelungen war, einige Autoren der literarischen Décadance und der Moderne in seinem Haus zu versammeln. Obwohl sich der Novellenband, der nach der gleichnamigen Erzählung Der kleine Herr Friedemann benannt war, eher schlecht als recht verkaufte, ermutigte ihn der Verleger, einen längeren Text vorzulegen. Mit 26 Jahren präsentierte Thomas Mann im Jahr 1901 nun einen Erstling, der Grenzen sprengte und Erwartungen übertraf: seine Lübecker Familiensaga. Dieses Buch machte Thomas Mann berühmt und finanziell weitgehend unabhängig. Mit diesem Erfolg sah er sich aber auch selbst verpflichtet, sein Leben als Erfolgsautor zu verbringen, als Schriftsteller von Niveau, Rang und Ansehen. Unterdessen hatte sich Thomas Mann ein philosophisches und literarisches Wissen angeeignet: Wagner, Schopenhauer, Nietzsche (das so genannte Dreigestirn), aber auch Dostojewski, Tolstoi und die deutschen Klassiker. Mann war zeitlebens ein genialer Dilettant.
Dass das Leben als Schriftsteller nicht so einfach war und der Beruf des Schriftstellers alles andere als ein anerkannter und gut bürgerlicher, wusste Thomas Mann nur allzu gut. In seiner Erzählung Tonio Kröger brachte er den Konflikt zwischen Bürger und Künstler aufs Papier. Wie mit einem Beruf und unsteten Neigungen in einer Welt leben, deren Sicherheit und Luxus Thomas Mann schätzte, an deren strikte Regularien er sich aber nicht halten mochte. Kurz vor dem dreißigsten Lebensjahr hatten sich Erfolge eingestellt, aber keine endgültigen Sicherheiten - weder in materieller und künstlerischer Hinsicht noch in Liebesdingen.
Der bürgerliche Künstler (1894-1918)
© Archiv S. Fischer Verlag
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Durch die Heirat mit Katia Pringsheim, begabte Tochter aus renommiertem, wohlhabenden Hause, im Jahr 1905 hatte er seinem Bohemien-Leben "eine Verfassung gegeben". In rascher Folge kamen die Kinder Erika (1905) und Klaus (1906) zur Welt. Die Familie bezog zunächst eine große Wohnung mit sieben, dann mit acht Zimmern, schließlich die Villa in der Poschingerstraße im Münchner Stadtteil Bogenhausen, ganz in der Nähe der Isar am Herzogpark gelegen. Durch die Familie seiner Gattin pflegte er Kontakte mit höchsten Kreisen und unterhielt nun selber ein großes Haus für Gesellschaften und Lesungen. Durch diese Heirat war Thomas Mann in ein großbürgerliches Umfeld aufgestiegen - und dies als Schriftsteller. Von da ab führte Thomas Mann das Leben eines Großbürgers mit Personal, ausgedehnten Reisen und diversen Annehmlichkeiten, bis hin zu einem Ferienhaus in Bad Tölz. In diese Verhältnisse und die nicht selten kühle und steife Atmosphäre wurden dann Golo (1909) und Monika (1910) geboren.
Gesellschaftlich früh arriviert, fiel ihm das Fortsetzen seiner Schriftstellerkarriere nun nicht ganz leicht. Mit der mit antisemitischen Klischees spielenden Novelle Wälsungenblut war er knapp an einem die Familie Katias düpierenden Skandal vorbeigeschrammt. Die Schiller-Erzählung Schwere Stunde ist ohne weiteres auch auf ihren Autor zu beziehen, der nicht recht wusste, wohin er seine Schriftstellerei lenken sollte. Der Versuch als Dramatiker mit Fiorenza glückte wenig. Acht Jahre nach den Buddenbrooks erschien der nächste Roman: Königliche Hoheit. Dabei beschäftigten Mann schon um 1910 zahlreiche Stoffe, die er wieder aufgreifen sollte, wie der erste Teil seiner Hochstapler-Erzählung Felix Krull. Unter dem Eindruck einer Reise verfasste Mann die Novelle Der Tod in Venedig, die zu seinen bekanntesten zählt und in der er den ‚lebensmüden' Schriftsteller Gustav von Aschenbach nach Venedig schickt; die Liebe zum Knaben Tadzio lässt ihn nicht wahrnehmen, dass eine Cholera-Epidemie aufzieht, deren Opfer der verzückte Aschenbach werden sollte.
Diese dunkle Endzeitstimmung, die Mann im Jahr 1912 beschworen hatte, fand im Sommer 1914 mit dem ausbrechenden Weltkrieg ihr Ende. Wie viele Intellektuelle versprach sich auch Mann vom Krieg eine Klärung der Verhältnisse, eine Reinigung und Belebung, den Beginn einer neuen Zeit. Deutsch-nationale Töne wurden im Hause Mann laut, und bereits im Essay Friedrich und die große Koalition versuchte er sich an einem historisch-politischen Thema. Der Erste Weltkrieg, dessen Unheil bringenden Auswirkungen Mann nie unmittelbar erreichten, lenkte ihn von seiner Schaffenskrise ab und gab seinem Schreiben eine neue Richtung. Thomas Manns Betrachtungen eines Unpolitischen, 1918 erschienen, sind ein einzigartiges Dokument nationalistischer Ideologie, auch der Versuch einer philosophischen Einordnung der Gegenwart. Nicht zuletzt ist diese Schrift, die immer umfangreicher wurde, ein Zeugnis eines Bruderkrieges, denn Heinrich gab sich von Anfang an als Pazifist und überzeugter Demokrat zu erkennen. Gegen das Konzept des "Zivilisationsliteraten" Heinrich setzte Mann ein Konstrukt deutscher Kultur.
Heinrich Manns Roman Der Untertan wurde ein großer Erfolg, nahm er doch genau jene Mentalität von Corpsgeist und Kadavergehorsam aufs Korn, der in die Katastrophe geführt hatte. Der Erste Weltkrieg hatte sich nicht nur für das Deutsche Reich als eine Katastrophe erwiesen, sondern auch für den Schriftsteller Thomas Mann. Mit der Republik brach eine neue Ära an; im Jahr 1918 erblickte Elisabeth Therese Mann, die er im Gesang vom Kindchen verewigen sollte, das Licht der Welt.