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Seine Kinder

Porträt Klaus Mann

© Archiv S. Fischer Verlag

Klaus Mann

18. November 1906-21.Mai 1949
Der erste Sohn - und Schriftsteller sollte er werden. Klaus, der in München und der Odenwaldschule die Schulbank gedrückt hatte, galt früh als theatralisches Talent und Lebenskünstler - beispielsweise bei Auftritten mit Schwester Erika, deren Mann Gustaf Gründgens uns Klaus' Verlobter, der Schriftstellertochter Pamela Wedekind in der Münchner Bohème-Szene - Revue zu Vieren. Der Vater war auf den ältesten Spross sehr stolz. Nach einer Tournee durch Deutschland folgte 1927/28 eine Weltreise durch die USA, Japan, Korea und die Sowjetunion, die in den Gazetten weltweit Furore machte. Klaus Mann versuchte sich zu dieser Zeit frei zu schreiben: Mit 26 Jahren legte er seine Autobiographie Kind dieser Zeit vor, die von anderen Literaten kritisiert wurde - treffen sollte es eigentlich den Vater.
Im Jahr 1933 emigrierte er über Paris nach Amsterdam, wo er die Zeitschrift Die Sammlung herausgab. Nicht erst mit dem umstrittenen Mephisto-Roman, in dem er die Karriere des ehemaligen Schwagers Gustaf Gründgens anprangerte, sondern später auch im amerikanischen Exil schrieb Klaus Mann gegen das NS-Regime an und entwarf zusammen mit Erika The Other Germany, das Deutschland der Emigranten.

Er selber war zum heimatlosen Reisenden geworden, der seine privaten Probleme, künstlerische Krisen und die politische Entwicklung mit Drogen zu betäuben versuchte. Phasen von höchster Produktivität wechselten mit solchen des Entzugs und der Depression. Seit 1938 verbrachte auch Klaus Mann das Exil in den USA, wo er die Zeitschrift Decision herausgab und begann, ein englischsprachiger Autor zu werden. 1942 erschien seine zweite Autobiographie zuerst in englischer Sprache: The Turning Point. Im selben Jahr meldete sich Mann, der ein Jahr später amerikanischer Staatsbürger wurde, zum US-Militärdienst und versprach sich nicht nur einen effektiveren Einsatz gegen die NS-Diktatur, er wollte auch sein Leben radikal verändern, es in den Griff bekommen. Nach Zwischenstationen in Casablanca und Italien reiste Klaus Mann als Reiseberichterstatter von Stars and Stripes durch das zerstörte Deutschland, besuchte beispielsweise die Heimatstadt München.

Nach seiner Militärzeit wechselten die Wohnsitze wie die Hotelzimmer zwischen Italien, Amsterdam, wo er für den Querido-Verlag tätig war, New York und Kalifornien. Vom vielversprechenden Nachwuchsdichter war Klaus Mann zur riskanten Existenz geworden, befangen in Drogen, ungestüm in seiner fortgesetzten schriftstellerischen Arbeit, entwurzelt, getrieben von Beziehung zu Beziehung - stets zu Männern. In seinen letzten Lebensjahren erschien das Drama Der Siebente Engel und eine Lebensbeschreibung André Gides. Als er sich am 21. Mai 1949 in Cannes nach missglückten Versuchen das Leben nahm, war dies der Abschied von einem Leben, das politische Enttäuschung, das Gefühl persönlichen Scheiterns und vermeintlicher Erfolglosigkeit als Schriftsteller bestimmt hatten. Die Eltern versagten sich eine Reise von Nordeuropa zur Beerdigung.
Insbesondere in den 1970er und -80er Jahren wurden Klaus Manns Texte wiederaufgelegt, seine Tagebücher ediert, der Mephisto-Roman 1981 publiziert - er fand als Schriftsteller des Exils und Kommentator seiner Zeit breite Anerkennung, fast ein Renaissance. Zeit seines Lebens stand er im Schatten des Vaters. Teile seines Nachlasses befinden sich in der Münchner Monacensia.

Porträt Erika Mann, eine Zigarette rauchend

© Archiv S. Fischer Verlag

Erika Mann

9. November 1905 - 27. August 1969
Die älteste Tochter Thomas Manns wollte nach ihrem Abitur Schauspielerin werden. Mit 21 Jahren heiratete sie Gustaf Gründgens und feierte an verschiedenen deutschen Bühnen Erfolge. Zusammen mit ihrem Bruder Klaus gab sie ein ‚duo infernale', das in den Jahren 1927 und 1928 auf Weltreise ging. In dieser Zeit fing Erika Mann an zu schreiben: für Zeitungen, ein Bühnenstück, 1932 dann ein Kinderbuch: Stoffel fliegt übers Meer. Diesem Metier sollte sie in den kommenden Jahrzehnten treu bleiben. Im Leben ging Erika Mann aufs Ganze: als Rennfahrerin oder als politische Kabarettistin. In der Emigration in Zürich etablierte sie 1933 die jüngst in München gegründete Kompanie Pfeffermühle wieder und verbuchte große Erfolge, die sie in den USA fortzusetzen gedachte. The Peppermill of New York wurde allerdings kein durchschlagender Erfolg. Nachdem - wie der ganzen Familie Mann - die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, heiratete sie kurzentschlossen den englischen Schriftsteller Wystan H Auden. Diese Scheinehe half ihr bei der Einwanderung in die USA, wo sie nun als Vortragsreisende über Nazi-Deutschland aufklärte. Wie Klaus und Golo Mann setzte sie ihre Talente auch beim Radio ein, bei der BBC London oder dem Office of War Information. Mit ihrem Bruder Klaus arbeitete sie an zahlreichen Projekten gemeinsam, so am Buch Escape to Life.

Neben dieser Arbeit schrieb sie weiterhin Kindergeschichten wie Zehn jagen Mr. X, eine Erzählung über gute und schlechte Deutsche in den USA und einer friedlichen Zukunftsordnung nach dem gewonnenen Krieg. An diesem nahm sie als Kriegsberichterstatterin teil - zunächst in Ägypten, Palästina und dann in Europa. Sie berichtete zudem von den Nürnberger Prozessen. Ihre Hoffnungen in die Nachkriegsordnung hatten sich nicht erfüllt. Deutschland war ihr entfremdet, Erika Mann floh in die Zusammenarbeit mit ihrem Vater, dessen Sekretärin und Ratgeberin sie schon während der Exilzeit in den USA geworden war, sie wohnte im Haus des Vaters in Pacific Palisades. Erika übersetzte, gab Statements, organisierte, war Teil des Familienbetriebs Mann geworden.
Den Tod von Klaus im Jahr 1949 konnte sie nur schwer verwinden, und als ihr Vater 1955 verstarb, stürzte sie sich in die Arbeit am Nachlass, kümmerte sich um Rechtsfragen, Verfilmungen und die umfangreiche Korrespondenz. 1956 schrieb sie Das letzte JahrBericht über meinen Vater.
Schon in den USA kam Erika Mann ohne Medikamente nicht aus, ein nachhaltiger Erfolg hatte sich für sie in der Neuen Welt nicht eingestellt. Nachkriegsdeutschland gegenüber blieb sie im Unterschied zu ihrem Bruder Golo äußerst skeptisch, weshalb sie ein Leben im Kilchberger Haus mit der Mutter vorzog.
In den Jahren 1963-1965 gab sie eine Auswahledition der Briefe ihres Vaters heraus, der lange Zeit der Forschung als Grundlage diente. In den letzten beiden Jahrzehnten wurde sie als Kinderbuchautorin wiederentdeckt, ihre Bücher wie Christoph fliegt nach Amerika und Zehn jagen Mr. X zählen zu den Klassikern des Genres. Teile ihres Nachlasses befinden sich in der Münchner Monacensia-Bibliothek.

Porträt Golo Mann 1937

© Archiv S. Fischer Verlag

Golo Mann

27. März 1909 - 7. April 1994
Als drittes Kind der Manns in München geboren, stand Gottfried Angelus, Golo genannt, vor der Frage, ob er Vater, Onkel und Bruder Klaus folgen und Schriftsteller werden sollte - er ging als Historiker in die Geschichte ein.
Nach seiner Schulzeit im Internat Schloss Salem kristallisierte sich heraus, dass der als Eigenbrötler titulierte Filius auf eine akademische Karriere setzte. In Berlin, München, Paris und Heidelberg studierte er Latein, Soziologie, Geschichte und Philosophie. Seine Doktorarbeit über Hegel legte er 1932 beim berühmten Philosophen Karl Jaspers vor. Aus seinem Plan, nach einer Zwischenzeit am Gymnasium als Professor für Geschichte an die Universität zurückzukehren, wurde nichts.
Wenig später als die Eltern emigrierte Mann nach Frankreich (St. Cloud und Rennes), wo er als Lektor für deutsche Sprache auf eigenen Beinen stehen wollte. Nach drei Jahren als Mitarbeiter an der Exilzeitschrift Mass und Wert - als Ratgeber des Vaters unterdessen geschätzt - floh er während des Krieges über Frankreich und Spanien in die USA. Der Heimatlose hatte mit seinem ersten Buch über Friedrich von Gentz, einen Gegenspieler Napoleons, begonnen und litt an seiner Exilerfahrung - auch in seiner Position als Collegelehrer. Im Jahr 1943 meldete er sich zur US-Army und half nach der Befreiung Deutschlands, den Rundfunk in Frankfurt aufzubauen. Die zehn Nachkriegsjahre sind geprägt vom Pendeln zwischen dem Claremont College (Kalifornien) und Europa, Österreich und immer wieder der Schweiz. Während er die ersten vierzig Jahre seines Lebens wenig publizistisch aktiv war, begann er in Zürich als Leitartikler Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; erste kleinere Sachbücher wie Vom Geist Amerikas und der Sammelband Außenpolitik erschienen.

Drei Jahre nach dem Tod Thomas Manns erschien im Jahr 1958 eine Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die eine Millionenauflage erreicht hat und in neun Sprachen übersetzt ist. Dieses Buch machte Golo Mann berühmt. Der Herausgeber der ehrgeizigen Propyläen Weltgeschichte nahm, nachdem er andernorts abgesagt hatte, 1960 eine Professur in Politikwissenschaft in Stuttgart an, litt aber an den Verpflichtungen des Lehrbetriebs, dem er 1963 nach einem Nervenzusammenbruch schließlich den Rücken kehrte. Als freier Publizist und Autor war er nicht nur ein gefragter Kommentator des Zeitgeschehens, er fand auch Zeit, an seinem opus magnum, der Wallenstein-Biographie zu arbeiten, die 1971 bei S. Fischer erschien, dem Verlag, dem er seit 1957 die Treue hielt und für den er auch die Neue Rundschau mit herausgab.
Golo Mann, der zunächst eher dem politisch linkem Lager zugeschlagen wurde (weil er beispielsweise die Oder-Neiße-Grenze akzeptierte), setzte sich als Berater für Willy Brandt ein, wandte sich aber enttäuscht von dessen Ostpolitik ab. Er redete der Studentenbewegung ins Gewissen und entwickelte sich vollends zum konservativen Denker, der für Franz Josef Strauss in den Wahlkampf zog - eine von vielen problematischen Parteinahmen. Als Redner war er auf allen Podien der Republik ein streitbarer Kopf, die Kraft zu umfangreichen historischen Studien fand er abgesehen von Ludwig I., König von Bayern und diversen Sammelbänden, nicht mehr.
Ins öffentliche Bewusstsein schrieb Mann sich auch als Memoirenschreiber ein; 1986 erschien Erinnerungen und Gedanken: Eine Jugend in Deutschland, in denen er von der Familie sowie dem aufziehenden Nationalsozialismus berichtete. Im zweiten, posthum veröffentlichten Teil verfolgte Golo Mann den eigenen Lebensweg weiter nach Frankreich.
War Golo Mann ein Historiker oder ein Schriftsteller?, fragten die Autoren der Nachrufe im Jahr 1994. Als Wanderer zwischen beiden Welten war es dem Intellektuellen stets um den stilistischen Anspruch in der Vermittlung des Vergangenen gegangen.
Golo Mann pflegte zahlreiche gelehrte Freundschaften, war ein leidenschaftlicher Wanderer und begeisterte sich für Sprachen und Lyrik. Er verstarb fünfachtzigjährig im Haus seines Adoptivsohns in Leverkusen; sein Nachlass wird heute in Bern im Schweizerischen Literaturarchiv aufbewahrt.

Monika Mann

7. Juni 1910 - 17. März 1992
Thomas Mann hatte nicht immer die beste Meinung von seinen Kindern - es gab Lieblinge und Sprösslinge, denen wenig Aufmerksamkeit galt. Vom "Mönle" hatte er sich schnell ein Bild gemacht, das er zeitlebens nicht revidieren sollte: Sie sei faul und habe kein rechtes Talent. Monika Mann besuchte zunächst eine Höhere Töchterschule in München und folgte dann ihrem Bruder Golo ins Internat Schloss Salem am Bodensee.
Nachdem sie mit den Eltern 1933 in die Emigration gegangen war, trennte sie sich im Januar 1937 von ihrer Familie, zog nach Wien und heiratete 1939 den ungarischen Kunsthistoriker Jenö Lányi, mit dem sie darauf nach London ging. Mit der ‚City of Benares' wollte das Paar im September 1940 nach Kanada auswandern und ein neues Leben beginnen. Dieser Versuch endete jäh, als das Schiff durch ein deutsches U-Boot attackiert wurde und Lányi beim Untergang starb. Monika Mann wurde wie durch ein Wunder gerettet. Zwischen ihrem Elternhaus und zeitweiligen Wohnsitzen in New York und Chicago wechselnd, kam sie über den Tod ihres Mannes nicht hinweg und konnte in den USA nicht Fuß fassen.
Im Gegensatz zu ihren Geschwistern hatte sie noch keine eigenständige Rolle in ihrem Leben gefunden, erst recht keine schriftstellerische. Erfolge waren ihr nicht beschieden, Monika galt als ein Problemkind. Im Jahr 1948 ging sie in ein anthroposophisches Heim. Als sie sich 1953 auf Capri niederließ, um mit dem Fischer Antonio Spadaro einen Neuanfang zu beginnen, wirkte das auf Familie und Öffentlichkeit wie ein Abschied von der Welt. Mit Vergangenes und Gegenwärtiges - Erinnerungen legte sie 1956 ihr bekanntestes Buch vor. Fast dreißig Jahre lebte Monika Mann auf Capri, von vereinzelten Interviews abgesehen jenseits aller Öffentlichkeit. Als ihr Partner starb, wollte sie nicht länger einsam auf der Insel bleiben und zog 1985 ins ehemalige Kilchberger Elternhaus zu ihrem Bruder Golo zurück. Ihre Mutter Katia Mann, zu der sie ein gespanntes Verhältnis hatte, war bereits gestorben. Als Monika Mann erkrankte, nahm die Adoptivfamilie Golo Manns sie in Leverkusen in Pflege. Dort ist die Frau mit der wispernden und hastigen Stimme 1992 gestorben - sie war das leiseste Kind Thomas Manns.

 

Michael Mann (genannt Bibi)

21. April 1919 - 1. Januar 1977
Über das jüngste Kind von Thomas und Katia Mann wissen die meisten lediglich vage, dass Michael Mann sich das Leben aus Verzweiflung über die herzlosen Schilderungen des Vaters genommen habe. Eine Lesart der Dinge, die zunehmend bezweifelt wird. Michael verbuchte gleich in zwei Karrieren Erfolge: als Musiker und als Literaturprofessor.
Als 14-Jähriger begleitete er die Eltern ins Zürcher Exil, wo er das Freie Gymnasium besuchte. Viel wichtiger war ihm die Musik, die er am Konservatorium und der Musikakademie studierte. Michael Mann wurde in jungen Jahren ein Virtuose auf Violine und Bratsche. Seine erste große Liebe, ein Mädchen aus der Nachbarschaft namens Gret Moser, nahm er kaum 20-jährig zur Frau. Sie begleitete ihn, der den Eltern in die USA gefolgt war, und schenkte ihm in den Jahren 1940 und 1942 zwei Kinder: Frido und Anthony Mann. Thomas Mann war über diesen Kindersegen überglücklich und verewigte Frido in der Figur des kleinen Echo im Doktor Faustus. Während er den Enkel vergötterte, pflegte er weiterhin den Sohn zu schneiden. In jungen Jahren hatte Michael eine "ganz normale" Kleinfamilie - er war unter seinen Geschwistern lange Zeit der einzige. Die Frage einer Rückkehr nach Deutschland oder in die Schweiz stellte sich für Michael und Gret nicht, auch als sein Musikenthusiasmus nachließ - die Erfolge taten es auch.
1958 stellte Michael Mann sein Leben auf neue Beine: Er verließ Pittsburgh und studierte an der Harvard-University Germanistik. Binnen drei Jahren wurde er promoviert und erhielt aufgrund seiner Studien zu Heinrich Heines Musikkritiken einen Ruf als Professor nach Kalifornien. In seiner Eigenschaft als Sohn Thomas Manns und als Germanist stellte er sich der Herausforderung, die Tagebücher des Vaters zu edieren, die 1975 dem Testament gemäß freigegeben wurden. Die Lektüre an diesen Aufzeichnungen mag keine leichte gewesen sein, die Gründe des Freitods von Michael Mann am Neujahrsmorgen des Jahres 1977 liegt im Dunkeln. Im Jahr 1983 erschienen posthum Fragmente eines Lebens, seine Autobiographie. Nicht nur der Tod Michael Manns gibt viele Rätsel auf, er ist bislang eines der wenigen Mitglieder der Familie, dessen Leben bislang kein Biograph nachgezeichnet hat.

Porträt Elisabeth Mann Borgese

© Archiv S. Fischer Verlag

Elisabeth Mann Borgese

24. April 1918 - 8. Februar 2002
Seit Heinrich Breloers Filmtrilogie Die Manns ist Elisabeth Veronika Mann dem deutschsprachigen Publikum bestens vertraut, denn sie begleitete das Filmteam an Schauplätze ihres Lebens, sprach über ihre Kindheit und Jugend. Dabei zeichnete sie das Bild ihrer Familie in ihren Farben: sympathisch, nachdenklich und optimistisch. Als sie kurz nach Ausstrahlung der Filme verstarb, galt sie als "lebensfrohstes, realitätsnahestes und im besten Sinne lebensfähigstes Mitglied ihrer Familie, sie hatte Willen zum Glück".
Schon als Kleinkind war "Medi", wie sie gerufen wurde, das erwählte Lieblingskind des Vaters. Im Gesang vom Kindchen drückte er diese Sympathie aus. Erste verirrte Liebesregungen der kleinen Elisabeth goss Mann in seine Erzählung Unordnung und frühes Leid und hatte wie in Mario und der Zauberer auch sein "liebstes Töchterlein" hiermit für sein Werk dienstbar gemacht. Nach dem Besuch des Wilhelms-Gymnasiums in München und des Freien Gymnasiums Zürich, wo sie am Konservatorium als Konzertpianistin ausgebildet wurde, folgte sie den Eltern in die USA - sie selbst beschrieb sich als hässlichen Backfisch, schüchtern. Seit ihrem 15. Lebensjahr schwärmte sie für den Verleger Fritz Landshoff, der sie allerdings enttäuschen musste. Noch in Princeton verliebte sich Elisabeth einundzwanzigjährig unsterblich in den wesentlich älteren Historiker und Literaturwissenschaftler, Giuseppe Antonio Borgese - einen emigrierten Antifaschisten. Sie habe die Bücher des Chicagoer Professors gelesen und habe gewusst, sie werde ihn heiraten. Bereits ein Jahr später kam die Tochter Angelica zur Welt, 1944 folgte Dominica. Während sie sich um die Kinder und den Haushalt kümmerte, bildete sie sich mit biologischer Lektüre weiter. Die Borgeses gehörten zu einem intellektuellen Zirkel, der eine Weltverfassung erarbeitete und ein Zeitalter der Menschenrechte proklamierte - es war ein ganz und gar politisches Haus.
Elisabeth Mann Borgese trat mit ihrem Mann die Rückkehr nach Europa, nach Florenz, an und kehrte dem McCarthy-Amerika den Rücken. Ihr Mann verstarb allerdings 70-jährig im Jahr 1952. Nun begann sie in Fiesole ein Lebens als Schriftstellerin und legte zunächst einen Erzählungsband To whom it may concern (1960) sowie das Emanzipationsbuch Ascent of Woman (1963) vor. Ihr Genre wurde das populäre Sachbuch: Wie man mit den Menschen spricht (dt. 1971) ist beispielsweise Zeugnis ihrer Verbundenheit zu Tieren. In Santa Barbara wirkte sie am Forschungsinstitut des Freundes Robert Hutchins mit. Ihr politisches Engagement, das sie mit dem Malteser Politiker Arvid Pardo teilte, galt dem Schutz der Weltmeere. Als einziges weibliches Mitglied gehörte sie dem Club of Rome an und legte mit The Drama of the Oceans (1975) eine eindrucksvolle Studie vor. Sie war Architektin der richtungweisenden UN-Seerechtskonvention von 1982 und gründete auf Malta das Internationale Ozean-Institut. Seit 1978 lebte sie im kanadischen Halifax und lehrte als Professorin Seerecht. Als Umweltschützerin und Aktivistin für Menschenrechte ist Elisabeth Mann Borgese der Aufstieg bis hin zur anerkannten Expertin gelungen - ob das der Vater seinem Kindchen zugetraut hätte? Elisabeth Mann jedenfalls war eine vor Enthusiasmus sprühende Persönlichkeit.

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